Wurzelbehandlungen (Endodontie)
Endodontie ist die Lehre von den inneren Strukturen des Zahnes. Dazu werden das Zahnmark (Zahnpulpa) und das Dentin (Zahnbein) als Komplex betrachtet, der zusammengehört. In der Pulpa befinden sich Zellen, deren Zellfortsätze und Zellausläufer das komplette Dentin als Röhrensystem durchziehen und somit Pulpa und Dentin biologisch zwingend verbinden. Deswegen ist es eine grobe Vereinfachung der Tatsachen lediglich von einer Wurzelkanalbehandlung zu sprechen.
Kommt es zur Schädigung des Endodontiums, kann eine Behandlung erforderlich werden. Diese zielt zunächst auf den Erhalt des Endodontiums als lebendes biologisches System ab. Wenn eine Erkrankung wie Karies das System über einen bestimmten Punkt hinaus geschädigt hat, kommt es zum kaskadenartigen Untergang des gesamten Endodontiums. Dieser Prozess läuft dann zwangsläufig bis zum Ende ab. Hier ist eine Behandlung nur noch durch Entlastung des Organismus möglich. Diese sieht entweder die Entfernung des Zahnes vor (maximale Eliminierung von biologischen Schadstoffen) oder die Entfernung der infizierten Zahnanteile, welche dann natürlich auch nur eine Teilentlastung des Organismus bedeutet. Zur Behandlung wird eine chemische und mechanische Reinigung des Zahnes angestrebt. Hierzu versucht der Behandler mit Feilen, Raspeln und speziellen Bohrern das innere des Zahnes im Wechsel mit Spüllösungen zu reinigen und zu desinfizieren.
Das Behandlungsziel darf nicht nur auf den bloßen Erhalt des Zahnes in der Mundhöhle abzielen. Wenn wir den Organismus biologisch entlasten und von Entzündungsreizen freihalten wollen, dann muss eine endodontische Behandlung sehr kritisch bewertet werden. Wir können ja von dem oben benannten Komplex nur den Anteil der Pulpa behandeln. Das heißt im Umkehrschluss, dass selbst bei sorgfältigster Behandlung Teile des Zahnes unbehandelt bleiben müssen. Das wiederum hat zur Folge, dass der Zahn vom Körper zukünftig nicht mehr als „selbst“ erkannt oder betrachtet wird. Die Aussage : „Der Eigene Zahn ist immer noch das beste“ kann somit nicht stehen bleiben, weil es im biologischen Sinne nicht mehr der eigene Zahn ist. Wir reden deswegen auch von toten Zähnen.
Manchmal sind endodontische Behandlungen quasi alternativlos, weil Gründe wie Termindruck, Kostenaspekte oder technische Umsetzbarkeit gegen eine Extraktion eines Zahnes stehen. Der Zahnverlust ist selbstverständlich für den Patienten auch nicht ohne Probleme. Wir müssen aber begreifen, dass der Zahn obwohl er ja noch da ist, nicht mehr der eigene Zahn ist. Spätestens im Falle anderer Erkrankungen müssen derartige Entscheidungen immer wieder auf den Prüfstand, da wir nur ein Immunsystem haben, dessen Kapazität begrenzt ist. Wenn tote Zähne zu viel Leistung des Immunsystems fordern, dann können dadurch andere Erkrankungen begünstigt werden, die teilweise von größerer Tragweite für unser Leben sein können.
Die Endodontische Behandlung von Zähnen muss als Kompromiss betrachtet werden und kann immer nur ein Versuch sein, den Zahn weiterhin nutzbar zu halten. In der biologischen Betrachtung ist das beste Behandlungsergebnis, was erreichbar ist, dass der Entzündungsreiz, der von all diesen Zähnen ausgeht, so gering ist, dass der tote Zahn vom Organismus weiterhin toleriert wird. Mehr ist leider wegen der Komplexität aller Zusammenhänge nicht erreichbar. Es muss somit im Einvernehmen zwischen Behandler und Patient die Abwägung vorgenommen werden ob eine Endodontiebehandlung durchgeführt werden soll und wie hoch die damit verbundenen biologischen Risiken einzuschätzen sind. Die Präzision einer Prognose ist aber ob der zahlreichen nicht abschätzbaren Einflussgrößen als nicht sehr hoch anzusehen.Somit ist es besonders wichtig, dass der Zahnarzt sämtliche biologischen, psychologischen Aspekte sowie die Lebensumstände des Patienten in seinen Therapievorschlägen und -maßnahmen berücksichtigt.
Autor
Bernd Milbrodt
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