Zum Inhalt springen

Labordiagnostische Strategien in der Parodontologie


Die Betrachtung der Immunpathogenese der Parodontitis macht deutlich, dass Erregerantigene zwar einen wichtigen Trigger darstellen, dass das eigentliche Problem bei progredient verlaufenden Parodontitiden aber eine entweder übergesteigerte Entzündungsantwort oder eine verminderte Erregerabwehr des Patienten ist. Beide „Konstellationen“ können dazu führen, dass die parodontale Destruktion trotz initialer Therapie fortschreitet und dass das klinische Bild während der Erhaltungsphase nicht die gewünschte Besserung zeigt.
Nicht selten tritt die Konstellation auf, dass nach einer antibiotischen oder manuellen Therapie die Markerkeimnachweise vorübergehend rückläufig sind, klinisch das Entzündungsgeschehen aber persistiert und die Erregerlast im weiteren Verlauf wieder zunimmt. In der Praxis wird man deshalb bei diesen „Problempatienten“ neben dem Nachweis der üblichen parodontopathogenen Keime und des aMMP8 zunächst die Entzündungsgenetik bestimmen.

Bei Nachweis einer erhöhten genetischen Entzündungsneigung (Polymorphismen in den Genen IL1A, IL1B, IL1RN und TNFA) sollten folgende zusätzliche Aspekte in das Behandlungskonzept einbezogen werden:

  1. Zusätzlich zur lokalen manuellen Therapie sollte ein antientzündlicher Therapieansatz gewählt werden.
  2. Diese Patienten sollten keine immunstimulierende Therapie erhalten, was in der Praxis leider häufig (ohne Rückmeldung an den behandelnden Zahnarzt) der Fall ist.
  3. Sensibilisierungen auf Zahnersatzmaterialien und weitere odontogene Störfaktoren sollten gezielt gesucht und saniert werden.

In den Fällen einer chronisch progredienten Parodontitis in denen keine erhöhte genetische Entzündungsneigung nachgewiesen wird, sollte dagegen nach Prädispositionsfaktoren gesucht werden, welche die Schleimhautimmunfunktion und Erregerabwehr herabsetzen können (IgA, Mannose-bindendes Lektin, Granulozytenfunktion). Bei Patienten mit solchen Immundefekten ist ein antientzündlicher (= immunsuppressiver) Therapieansatz kontraindiziert. Hier  sollten Maßnahmen im Vordergrund stehen, welche die Erregerabwehr unterstützen (antimikrobielle Therapie, ggf. Immunstimulation in interdisziplinärer Kooperation).

Auch sollte das Wissen um die genetische Disposition zu einem progressiven Verlauf der Parodontitis oder eine verminderte Schleimhautimmunität helfen und Anlass sein, den Patienten bezüglich Nikotinverzicht und Intensivierung der Mundhygiene zu motivieren. In solchen Fällen empfehlen sich zudem engmaschigere Recall- und Prophylaxeintervalle.

Die Erhebung des parodontalen Screening-Indexes (PSI) und das Röntgen sind bewährte diagnostische Verfahren in der Parodontologie. Allerdings dokumentieren beide erst nachträglich und somit zu spät den eingetretenen Weich- und Hartgewebsabbau. Mit dem quantitativen Nachweis der aktiven Matrix-Metalloproteinase-8 (aMMP-8) in Sulkusflüssigkeit steht ein Test zur Diagnose einer parodontalen bzw. periimplantären Gewebedestruktion zur Verfügung. Die Matrix-Metallo-Proteinase 8 (aMMP8) steht am Ende der durch die parodontopathogen Bakterien des dentalen Biofilms hervorgerufenen Entzündungskaskade und ist . verantwortlich für den destruktiven Gewebeabbau, weil es die Kollagenfasern des Zahnhalteapparates zerstört.
Mit der Bestimmung von aMMP-8 im Sulkusfluid (GCF) können die Patientenkollektive nicht nur in gesund und pathologisch (Gingivitis und Parodontitis) differenziert werden, sondern es ist eine wesentlich exaktere Stadiendifferenzierung möglich als mit den herkömmlichen klinischen Markern. Die aMMP-8 Bestimmung liefert dabei häufig noch vor dem Auftreten von klinischen Anzeichen eine Aussage über den Entzündungsstatus des Parodonts. Da es sich beim aMMP-8 nicht nur um einen Entzündungsmarker, sondern um den unmittelbaren Gewebeabbaumarker handelt, kann damit eine präzise Aussage über die mittelfristige Progression gegeben werden. Die aMMP-8-Werte gehen nach erfolgreicher Parodontalbehandlung in den Normbereich zurück. Somit dient aMMP-8 auch zum Erkennen eines refraktären Verlaufes.


Autor

Dr. rer. nat. Sabine Schütt
Nicolaistraße 22
12247 Berlin

Tel.: 030 770 01-220