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Metalle im Mund


Die Problematik der Belastung von Patienten mit Metallen nimmt vor allen in den höher entwickelten Industrienationen einen zunehmenden Stellenwert ein und wird im Zusammenhang mit der Zunahme chronisch entzündlicher Erkrankungen diskutiert. Neben der Metallaufnahme über die Nahrung und über dem Atmungstrakt zählen vor allem auch die medizinisch in den Körper eingebrachten Metalle zu den bedeutenden Schwermetall-Quellen für den menschlichen Organismus. Eine besondere Bedeutung hat dabei neben der Chirurgie auch die Zahnmedizin. Implantate, Prothesen, Füllungen,  Kronen, Brücken und Zahnspangen stellen dauerhaft in den Körper eingebrachte metallische Reizfaktoren dar. Die Aufnahme über den Körperschmuck hat im Vergleich dazu geringere Bedeutung. Die Belastung nimmt  mit zunehmendem Lebensalter stetig zu, da sich Metalle sehr fest in verschiedenen Körperzellen an Eiweiße binden und eine natürliche Ausscheidung daher kaum mehr stattfinden kann.

Nur wenige Metalle wie z.B. Eisen, Selen, Magnesium, Zink, Kobalt und Kupfer sind sogenannte essentielle Spurenelemente, das heißt, dass sie der Organismus benötigt. Sie sind essentielle Bestandteile von Enzymen und wichtig für zahlreiche Stoffwechselfunktionen. Sie liegen natürlicherweise in geringen Konzentrationen im Körper vor. In höherer Konzentration und abhängig von ihren Oxidationsstufen können aber selbst einige dieser biologisch wichtigen essentiellen Metalle toxische Effekte induzieren. Dazu gehören zum Beispiel Kobalt und Kupfer. Vor allem wenn sie in freier Form vorliegen gehen sie aufgrund ihrer hohen Reaktivität unerwünschte Bindungen an körpereigene Strukturen ein.
Die Mehrzahl der Metalle jedoch – und dazu gehören neben anorganischem Quecksilber oder Blei auch die Edelmetalle wie Gold, Platin und Palladium, können im menschlichen Organismus in vielerlei Hinsicht schaden. Sie können in Abhängigkeit von ihrer Menge sowie von der individuellen Empfindlichkeit des jeweiligen Menschen toxische Effekte zeigen sowie über allergische und immuntoxikologische Mechanismen Entzündungen sowie Autoimmunphänomene auslösen.
In der Zahnmedizin werden ausschließlich Legierungen eingesetzt. Dabei handelt es sich um Mischungen verschiedener Metalle, denn die Reinmetalle sind für den Einsatz im Gebiß nicht geeignet. Durch den Vorgang des Legierens wird die technische Verarbeitbarkeit verbessert und die Kau-Stabilität erhöht. Die biologische Verträglichkeit ist jedoch häufig nicht gewährleistet.
Ein Ziel der Umwelt-ZahnMedizin und der Umwelt-ZahnTechnik muss es sein, die Metallbelastung des Organismus so gering wie möglich zu halten. Es ist unnötig, dass auch heute noch ein einzelner Zahnersatz aus einem Mix von verschiedenen Metallen besteht. Zwei bis vier verschiedene Metalllegierungen sind keine Ausnahme, wobei diese noch heute oft durch Löten miteinander verbunden werden. Lote enthalten weitere nicht biokompatible Metalle und sind nicht korrosionsbeständig. Für die Gefügeverbindung favorisiert die Umwelt-Zahntechnik aus diesem Grund das Laserschweißen oder die Funkenerosion, eine Verbindung von Metallen über Verzapfung ( ähnlich dem bekannten Verfahren aus dem Schreinerhandwerk).

Die Korrosionsstabilität ist ein wichtiges Qualitätskriterium von metallischem Zahnersatz. Eine durch Verarbeitungsfehler bestehende hohe Korrosionsrate bewirkt eine stärkere Freisetzung der Metalle und stellt somit die Voraussetzung für die Aufnahme in den Organismus dar. Das Problem wird oft dadurch verstärkt, dass eine solche Prothese vom Zahnarzt in einen Mund eingesetzt wird, in dem sich bereits andere metallische Konstruktionen wie Füllungen, Kronen oder Implantate befinden. Damit beginnt ein galvanisches Geschehen (Prinzip der Batterie), d. h. es gehen durch Korrosion vermehrt Metallionen in Lösung und werden über die Schleimhäute des Mundes und Verdauungstraktes in den Organismus permanent aufgenommen. Über die Jahre summiert sich die Belastung im Organismus.
Die Folgen der durch Korrosion oder Abrieb verursachten Metallfreisetzung in der Mundhöhle können sein: Entmineralisierungen der Zähne, Rötungen, Schwellungen, Brennen und Verfärbungen der Schleimhäute , chronische Parodontitis ,metallischer Geschmack, Mundgeruch bis hin zu Zellentartungen.
Die systemischen Auswirkungen der Metalle hängen stark von der individuellen Empfindlichkeit der betroffenen Person ab. An den nachfolgend genannten Erkrankungen können Metalle ursächlich oder an deren Progression beteiligt sein:

  • Metallallergien
  • Autoimmunerkrankungen
  • Herz-Kreislauferkrankungen und Bluthochdruck
  • Arteriosklerose
  • Krebserkrankungen
  • neurodegenerative Erkrankungen  (z.B. Demenz , Morbus Parkinson)
  • Chronic Fatigue Syndrom (chronisches Erschöpfungssyndrom)

Auch wenn die Mechanismen, über die Metalle an den genannten Erkrankungen beteiligt sind, noch nicht hinreichend bekannt sind, wird doch deutlich, dass die Zahnmedizin und die Zahntechnik eine große Verantwortung für die Gesundheit der Patienten haben.

Eine aus dem Zahnersatz herrührende Schwermetallfreisetzung  kann durch die sogenannte  Multielementanalyse des Speichels (MEA) nachgewiesen werden. Die Höhe der Metallkonzentrationen im Speichel ist Gradmesser für die Belastung des Organismus über den Zahnersatz. Zur Erfassung der Korrosion in der Mundhöhle bietet sich auch eine Mundstrommessung an.
Es ist zu begrüßen, dass dank des Fortschritts im Bereich zahntechnischer Werkstoffe heute Kronen, Brücken und Prothesen völlig metallfrei hergestellt werden können. Bei Implantaten stehen uns Keramikimplantate oder keramisch ummantelte Titanimplantate zur Verfügung wobei beachtet werden muss, dass für die Keramikimplantate Langzeitstudien hinsichtlich Fraktur- und Verlustrisiko  naturgemäß noch nicht vorliegen können.

Wenn aus Gründen der Stabilität beim Zahnersatz nicht auf Metall verzichtet werden kann, dann sollte immer nur eine einzige Legierung Verwendung finden. Außerdem muss ausgeschlossen sein, dass der Patient auf die in dieser Legierung enthaltenen Metalle eine Allergie hat. Am häufigsten eingesetzt werden die  Nicht-Edel-Metall (NEM)-Legierungen die heute nahezu ausschließlich auf Chrom-Kobalt-Molybdän-Basis bestehen. Sie zeigen ein großes Indikationsspektrum sowie bei guter zahntechnischer Verarbeitung die höchste Dauerstabilität  und die geringste Korrosionsanfälligkeit. Entgegen der oft noch anzutreffenden Annahme sind hochgoldhaltige Legierungen in der Mundhöhle nicht korrosionsstabil (Prof. Niedermeier, „Rheinisches Zahnärzteblatt 4 /2013 ).
Sofern bereits andere Metallkonstruktionen in der Mundhöhle des Patienten vorhanden sind, sollten in Abhängigkeit von der bestehenden Grunderkrankung bzw. Symptomatik Zahnarzt und Patient gemeinsam überlegen, ob diese durch metallfreie Materialien ausgetauscht werden bevor die Eingliederung des neuen Zahnersatzes erfolgt.

Unabhängig davon, welche Metalle zum Einsatz kommen, sollte vor der Einbringung nach Möglichkeit allergische Sensibilisierungen ausgeschlossen werden. Als die derzeit zuverlässigste Methode für systemische Sensibilisierungen hat sich der Lymphozytentransformationstest (LTT) erwiesen. Besonders wenn bereits früher unerwünschte Reaktionen auf Schmuck oder auch Zahnersatz, chirurgische Applikationen oder ähnliches aufgetreten sind, ist diese Testung zu empfehlen.


Autor

Dr. med. dent. Hiltrud Boeger
c/o Labor Plumanns und Enders Rotdornstraße 6
40472 Düsseldorf
Tel.: 0211 954 22 93